Ich bin mir ziemlich sicher: Wer Hirn mit Ei serviert bekommt, ohne es zu wissen, denkt sich bloß, „das ist die beste Eierspeise meines Lebens“. dieses Wunderding wird noch einmal besser, wenn sie es mit dem besten Freund der Eierspeise krönen, der Morchel. Gemeinsam ergeben die drei den Speise gewordenen Jahreszeitenwechsel: üppig und wärmend wie ein Wintergericht, verzaubert mit dem Geschmack des Frühlings.
Die Morchel ist einer der ersten essbaren Frühjahrsboten und schießt seit ein paar Wochen aus feuchten Auwaldböden. Bevor im Spätsommer endlich der Steinpilz blüht, ist sie die Königin des Waldes, so etwas wie die Entschuldigung der Natur für den Bärlauch. Sie stammt, wie so viele große Pilze (Trüffel, Penicilin) aus der Familie der Steinpilze und ist ganz außergewöhnlich köstlich: erdig, fleischig, mit Biss und feiner Konsistenz, und fantastisch aussehen tut sie sowieso (als ob uns die Natur etwas sagen wollte erinnert sie ein wenig an Hirn).
Unter dem Namen „Morchel“ wird bei uns eine ganze Reihe ähnlicher Pilze verkauft. Während in der französischen Hochküche die Spitzmorchel als die edelste gilt, wächst und gedeiht bei uns meist die Speisemorchel, auf den Märkten ist zudem auch die ähnlich aussehende Böhmischen Verpel zu finden. Für endgültige Verwirrung sorgt dann der Morchel-Becherling, der seinen Verwandten optisch so gar nicht ähnelt und roh unangenehm nach Swimming Pool stinkt. Bei allen Unterschieden aber gilt: Ganz köstlich sind sie alle. Wenn Sie sie sehen, greifen Sie unbedingt zu.
Ich hatte das Glück, mit dem Lucas Steindorfer (Ex Coburg, Tian, Die Liebe, Rien, hoffentlich bald was eigenes) und dem Hubert Peter (Ex Kussmaul, Barrikade, Rien, hoffentlich bald was eigenes mit dem Steindorfer) in die Au auf Morcheljagd gehen zu dürfen und fündig zu werden. Die Morchel wächst auf sandigen, feuchten Böden und ist äußerst Standorttreu, soll heißen, wenn Sie einmal wo welche finden, stehen die Chancen gut, dort nächstes Jahr wieder Glück zu haben. Wer suchen mag: Eschen, verblühte Schneeglöckchen und Wildschwein-Spuren sind gute Hinweise darauf, dass Morcheln in der Gegend sind. Wer nicht in den Wald will oder kann: Am Brunnenmarkt beim ungarischen Pilzstand sind sie derzeit für um die 28 Euro das Kilo zu haben.
Sowohl Morcheln als auch Hirn sollten möglichst frisch sein. Morcheln halten im Kühlschrank etwa zwei Tage, dann beginnen sie, abzubauen (meine auf dem Foto waren schon drei Tage alt. Nicht perfekt, immer noch sehr gut). Hirn ist am allerbesten, kurz nachdem der einstige Besitzer gerade geschlachtet wurde. Reden Sie mit Ihrem Fleischer, wann er es immer frisch bekommt. Bei den famosen Ringls zum Beispiel ist immer Dienstags Hirntag. Eier hingegen halten leicht mehrere Wochen, wenn nicht gar Monate.
Aus mittlerweile langjähriger Hirnesser-Erfahrung weiß ich, dass erstaunlich viele Menschen die Idee nicht behagt. Geschmacklich kann ich Entwarnung geben: Hirn schmeckt nicht stark und ganz sicher nicht unangenehm. Sein Aroma ist mild und erinnert ein wenig an ganz frischen Tofu oder Knochenmark (und, lustigerweise, Hahnenhoden, aber das sagt den meisten Hirnverweigerern auch wenig). Auffälliger ist seine Konsistenz: weich wie eine Wolke, cremig wie gute Foie Gras, enorm üppig und trotzdem schwebend leicht.
Wer sich gar nicht durchringen kann, Hirn zu verkochen: Morcheln schmecken auch hervorragend nur mit Ei, mit Cremespinat oder -Brennesseln, mit Spargel oder Pasta in Oberssauce.
Hirn mit Ei und Morcheln
Hirn mit Ei und Morcheln ist nicht das leichteste aller Frühlingsgerichte – am besten ist es meiner Meinung nach als üppiges Katerfrühstück oder zu Mittag, wenn Sie am Nachmittag nicht mehr allzu viel vor haben. Ich rechne mit einem Schweinshirn und 1,5 Eiern pro Person, das reicht erfahrungsgemäß. Wer sehr viel Hunger hat, der isst zwei Hirne und drei Eier allein. Um ein wenig durchs Fett zu schneiden, empfiehlt sich dazu ein scharfer, frischer Frühlingssalat, etwa Radieschen mit ihren schönen Blättern (gibts fast nie im Supermarkt, oft beim Gemüsebauern) und Löwenzahn.
Für zwei Esser brauchen Sie:
2 Schweinshirne
Drei Eier, in einer Schüssel verquirrlt
Je nach Gier 100 bis 200 Gramm Morcheln (Achtung: Roh leicht giftig. Nicht kosten)
Zwei Frühlingszwiebel
Eine halbe Stange Jungknoblauch oder von mir aus zwei, drei Bärlauchblätter. Wenn Sie beides nicht haben, lassen Sie es weg, bevor Sie Knollenknoblauch verwenden.
Eventuell ein klein wenig Hartkäse, am besten von der Ziege
Zwei Scheiben getoastetes Weißbrot
Das Hirn in kalten Wasser abspülen und die dünne Haut mit den roten Äderchen so gut es geht abziehen. Tun Sie sich aber nichts an und lassen sich den Hirngenuß nicht durch übertriebene Fizzelei verderben – wenn ein bisserl Haut drauf bleibt, ist das auch kein Problem. Die Morcheln sehr gut waschen (sie sind oft sandig), in einer Salatschleuder trocken schleudern oder zum Trocken auf ein Geschirrtuch legen und in Mundgerechte Stücke schneiden. Meist reicht es, sie zu halbieren. Die Frühlingswiebel und den jungen Knoblauch klein schneiden.
In einer Pfanne sehr viel Butter aufschäumen (das ist nicht das Gericht um am Fett zu sparen. Wenn Ihnen nach leicht und frisch ist, kochen Sie was anderes), die Frühlingszwiebel und den Knoblauch kurz braten, dann die Hitze hochschalten und die Morcheln dazu geben. Ordentlich salzen und braten, bis der Saft ausgetreten und wieder verdampft ist und sich eine braune Schicht am Pfannenboden bildet. Mit einem Schuss Wasser/Weißwein ablöschen, das Braune vom Boden lösen, sodass eine sämige Sauce entsteht und die Morcheln in eine Schüssel geben. Zur Seite stellen.
Mehr Butter in der Pfanne schmelzen. Wenn es schäumt das Hirn dazu geben und unter Rühren braten, bis es gerade durch ist und Farbe gewechselt hat, höchstens zwei Minuten. Nicht übergaren, sie wollen Ihr Hirn cremig. Die Eier dazu gießen, kurz unten stocken lassen, dann durchrühren und wieder kurz setzen lassen. Wiederholen, bis sie großteils gestockt, aber noch etwas flüssig und keinefsalls trocken sind
Auf die Toastscheiben geben, die Morcheln darauf verteilen und eventuell einen Hauch Hartkäse drüber reiben. Mit ordentlich frisch gemahlenen schwarzen Pfeffer und eventuell gehackten Frühlingszwiebelgrün würzen. Heiß genießen.
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