Die beste Liste der besten Kochbücher 2016

2016 war für mich weniger ein Jahr der Kochbücher, als eines der Essens-Magazine. Das liegt vor allem daran, dass ich nun selbst eines mache: All You Can Eat wird erstmals am 2. Dezember erscheinen und sich auf 112 Seiten dem Fett widmen (mehr dazu unten). Das hat einerseits sehr viel Arbeit gemacht, und andererseits dazu geführt, dass ich mir sehr viele andere Essenszeitschriften angesehen habe, sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch. Zwei, bei denen ich hängen geblieben sind, stehen daher heuer auf der Liste.

Ein Überkochbuch wie dieses hat es 2016 für mich nicht gegeben, einige erfreuliche Neuzugänge habe ich trotzdem in meinem Bücherkasten verzeichnet. Wie jedes Jahr bei dieser vorweihnachtlichen Google-optimierten und völlig subjektiven Liste gilt: Die Bücher sind nicht zwingend 2016 erschienen, ich habe sie bloß in diesem Jahr gelesen.

Peter Meehan and Lucky Peach, Power Vegetables

img_1803

Die seltene, höchst erfreuliche Ausname eines Gemüse-Kochbuch, das ganz massiv auf Sardellen und Fischsauce setzt, bekanntlich die besten aller Gewürze.  Mit Null Rücksicht auf seltsame Konstrukte wie Authentizität oder Landesküchen wird hier stets das Beste aus aller Welt genommen, neu gemischt und viel köstlicheres erschaffen, als das möglich ist, wenn jede Weltgegend nur ihr eigenes Süppchen kocht. Mexikanische, asiatische, mediterrane Einflüsse, Ideen und Rezepte stehen hier nebeneinander und bereichern sich. Die Gerichte sind allesamt leicht zu Hause zu machen und brauchen ganz selten Zutaten, die nicht in jeder mittelgroßen Stadt zu bekommen wären.

Neben den Rezepten gibt es wie schon bei den 101 Easy Asian Recipes auch hier den sehr praktischen Überblick darüber, was alles in den Vorratsschrank gehört (Miso, Sardellen, Fischsauce, getrocknete Shitake, Salzkapern, um nur ein paar zu nennen), sowie jede Menge gute Tips, um so ziemlich alles besser schmecken zu lassen (Miso karamelisieren, Shitake pulverisieren, niemals auf den Essig und die Fischsauce vergessen…) Nach dem entbehrlichen Wurstbuch (da war das Vorwort das beste daran) habe ich mit dem Kaufen gezögert, es schließlich doch getan, und habe es nicht bereut. Das schönste Kochbuch des Jahres ist es sowieso.

Gerd Wolfgang Sievers – Wiener Beisel Kochbuch
img_1793

Eines der wenigen Kochbücher zum Thema Wiener Küche, das nicht so fad und einfallslos ist wie das, was in dieser Stadt meist als Wiener Küche serviert wird. Der Herr Sievers hat hier teilweise sehr hübsche, alte Rezepte hinein gepackt, die auch ein chinesisches Banquette schmücken könnten – von geschmorten Schweinsfüßen über Drei-Nieren-Suppe bis hin zu saurem Kronfleisch. Seit der Lektüre habe ich auch deutlich mehr Respekt vor eingebranntem Gemüse, und einbrennte Hund gehören zu meinen liebsten Erdäpfel-Varianten.

Die ein oder andere unnötige, verklärte Anekdote (vor allem rund um die unselige, unvermeidbare Rindfleisch-Kocherei) findet sich zwar auch hier, im Vergleich zum Rest des Genres hält sich das aber in sehr engen Grenzen. Ein Buch, um Vorurteile abzubauen und Interesse an einer fast ausgestorbenen Küche zu wecken – und gerade an nasskalten Wiener Wintertagen eine sehr passende Lektüre.

Colman Andrews – Catalan Cuisine

img_1796

Man muss nicht gleich mit Schwein gefüllte Kalmare in Schokosauce kochen wollen, um an Colman Andrews Buch Gefallen zu finden. Schaden tut es allerdings nicht. Das Gericht, so Andrews, ist typisch katalanisch in seiner Mischung aus süss und salzig, Meer und Land. Außerdem werden dafür zwei Grundbausteine der katalanischen Küche verwendet, Samfaina, eine würzige Nuss-Brot-Sauce, und Sofregit, ein lang geschmortes Zwiebel-Paradeiser-Konfit.

Das Buch ist voller wunderbarer Rezepte, von denen manche aus der Zeit gefallen scheinen. Die katalanische Küche sei eine eigenständige Küche und habe mit der spanisch-kastilischen weniger gemein, als man so glaubt, argumentiert Andrews in einem der charmantesten, witzigsten und intelligentesten Kochbücher, die ich seit langem gelesen habe. Sie schert sich wenig um die Trennung von salzig und süß – wo sonst gibt es süße Schweinswürste als Dessert? Sie langt im Tierreich ordentlich zu, statt sich auf die immergleichen drei Arten zu beschränken, Schnecken, Kaninchen, Schafe, Ziegen und kleine Vögel werden regelmäßig verspeist oder gleich zu barocken Gerichten verarbeitet wie „Hasen-Schnecken-Angler-Kalmar-Shrimps-Ragout“. Die Sardine, die Königin der Fische, nimmt hier einen Ehrenplatz ein, genauso wie der eingesalzene Kabeljau.

Ich habe in meinem Monat in Barcelona fast jeden Tag aus dem Buch gekocht. In Wien ist es Zutatenbedingt ein bisschen weniger Alltagstauglich – ein schönes Lese- und Vorfreudebuch ist es aber allemal.

Die Jahreszeiten-Kochschule – Winter

img_1804

Die Frau Seiser hat nun schon sehr viele sehr erfolgreiche Kochbücher (mit)geschrieben, mir persönlich gefällt ihr neuestes am besten. In der Winterkochschule werden einerseits ein wenig Grundwissen und Basistechniken vermittelt (Wie flechte ich einen Hefezopf, wie lagere ich Kohlköpfe…), andererseits gehen die saisonalen Rezepte großteils über den abgelutschen Kanon hinaus. Es gibt schöne Kombinationsideen wie Muscheln in Chorizofond, genug mit Fleisch gewürztes Gemüse (Sellerie in Bratlfett!) und leicht getunte Klassiker wie geräucherte Rote Rübensuppe. Das kurze Fischkapitel mit einer Anleitung zum selber Beizen von Lachs ist das feinste, dass mir in einem deutschsprachigen Kochbuch in den vergangenen Jahren untergekommen ist.

Das Buch ist der erste Band einer vierteiligen Serie, Frühling, Sommer und Herbst folgen kommendes Jahr. Organisiert ist es anhand saisonaler Zutaten-Gruppen (Wurzeln, Kraut, Zitrusfrüchte…) und besonderer Anlässe (Heringsschmaus, Festtagsmenüs). Ich hätte mir für ein Buch, dass „Kochschule“ im Titel trägt, noch ein bisserl mehr Theorie gewünscht, ich nehme aber an, dass war auch ein Platzproblem oder ein Streit mit dem Verlag, wie viel foto- und rezeptlose Seiten der werten Leserschaft zuzumuten sind. Ich koche nie „österreichisch“ und kaufe so gut wie gar keine deutschsprachigen Kochbücher, schlicht, weil sie mich fast nie ansprechen oder interessieren. Auch die Jahreszeiten-Kochschule Winter hab ich geschenkt bekommen, seither nehme ich sie immer wieder zur Hand, und werd sicher manches ausprobieren.

Magazin 1: Gastronomica

img_1800

Ein bisschen so etwas wie der seriöse große Bruder von Lucky Peach. Schlecht angezogen, manchmal etwas langweilig und zu beredt, weiß aber zweifellos irrsinnig viel.

Das Layout sieht aus, als hätte es jemand in Microsoft Word gemacht und Fotos gibt es kaum, dafür bekommen die Autoren hier Platz, um ihre Geschichten zu erzählen und dürfen sogar Fussnoten anfügen – schließlich ist das Gastronomica, wie man stolz erklärt, ein Peer Reviewed Food Magazine. Esskultur ist hier deutlich wichtiger als Rezepte, die Them en sind extrem breit gestreut, sodass die Hefte oft ein wenig beliebig wirken, dafür aber auch nicht langweilen und in jedem zumindest ein guter Text zu finden sein sollte.

Dem wissenschaftlichen Anspruch genügend, finden sich hier zwar auch immer wieder schrecklich geschriebene Artikel – dazwischen gibt es aber auch  Textperlen über so breit gestreute Themen wie Apnoe-Speerfischen oder eine Hymne an Salo, den ukrainischen Schweinsrückenspeck. Und wer einen goldenen Schweinskopf (Achtung, alte Ausgabe) aufs Cover hebt, der kann sowieso nicht völlig schlecht sein.

Magazin 2: Ambrosia

img_1799

Der genauso gut aussehende Zwillingsbruder des Drift Magazines. Statt des Kaffee hat sich das gleiche Team hier der (vor allem gehobenen) Gastronomie angenommen. Genauso wie das Drift ist jede Ausgabe einer Stadt bzw einem Land gewidmet – in der nächsten wird es um Brooklyn gehen – und besucht dort prominente Köche, einige Produzenten und bringt von allen Rezepte.

Ambrosias Mastermind und Chefredakteur, Adam Goldberg, ist ein amerikanischer Tech-Millionär, der seine Zeit und sein Geld nun schon seit einigen Jahren dem guten Essen widmet. Dank seines Budgets und seiner Leidenschaft hat er wohl einen besseren Überblick über die Internationale Fine Dining Szene als die allermeisten Menschen auf dieser Welt, professionelle Fresschreiber miteingeschlossen.  Die Fotos und das Layout des Hefts sind außergewönlich schön, die Verarbeitung hochwertigst, die Texte immer wieder, nunja, mittelmässig. Goldbergs regelmässigen Besuche rund um den Globus und sein Auftreten auf wichtigen Koch-Konferenzen geben ihm aber einen priviligierten Zugang zu Interviewpartnern, die sonst mit kaum jemandem reden – in der aktuellen Ausgabe, Dänemark, etwa Rene Redzepi.

Magazin 3: All You Can Eat

ayce

Wenn Sie mich fragen das beste mögliche Weihnachtsgeschenk, für Freunde, Verwandte und an sich selbst. Sehr viele tolle motivierte Menschen haben ein neues, deutschsprachiges Essenmagazin gemacht, ich darf den Chefredakteur geben und mehrere Artikel dafür schreiben.

Es wird und will anders sein, als alles, was es bisher auf Deutsch gibt. Das Thema der ersten Ausgabe: Fett. Wir haben Geschichten über das Kochen von Murmeltieren und selber Margarine machen, über die richtige Mangalitza-Mast und die Diet von Sumoringern, über die Faszination des fetten Thunfischbauchs und die Palmöl-Fritten, Rezepte für ein sechsgängiges Fettmenü und die berühmten Weihnachtskekse der Maria Lippert aus Parndorf. Und eine Ode an die Käsekrainer gibts auch noch.

Die Nummer 1, Fett, wird am 2. Dezember erscheinen, die Nummer 2, Fremd, kommt dann Anfang März.

Besondere Erwähung: Emile Zola, Der Bauch von Paris

Kein Kochbuch und noch nicht einmal ein Buch, in dem es ums Essen geht, sondern um das Leben im französischen zweiten Kaiserreich. Weil Zola aber den alten Pariser Großmarkt, Les Halles, als Ort seines Dramas gewählt hat, und er ein unerschöpflicher, exakter, detailverliebter Beobachter ist, finden sich hier seitenlange Beschreibungen all der Köstlichkeiten (und absonderlichen Dinge), die in Frankreich um 1850 gegessen wurden. Es gibt wenige bessere Gelegenheiten, so viel über die Pariser Esskultur dieser Zeit zu erfahren, als mit Florant, Zolas mageren Helden, durch die Hallen des Markts zu streifen oder in die Keller darunter hinab zu steigen, wo das lebende Geflügel und die Süßwasserfische gehalten werden, mit ihm Abends bei seinem dicken Bruder, dem Fleischermeister, in der Wurstküche zu sitzen, oder ihn auf einen Ausflug aufs Land zu einer befreundeten Bäuerin zu begleiten.

Wer einen Kindle hat, kann das Buch gratis herunter laden.

Zum Nachlesen hier die Listen der vergangenen Jahre:

2013

2014

2015




2 Antworten zu „Die beste Liste der besten Kochbücher 2016”.

  1. […] Lau­ter Lese­fut­ter: Je zehn Bücher stel­len Chris­tian bei „Das Maga­zin“ und Astrid bei „Arthur Toch­ter“ vor. Ers­te­rer ver­rät, wel­che Koch­bü­cher als unent­behr­li­che Hand­bi­blio­thek in sei­ner Küche ste­hen (mehr braucht es nicht!). Zwei­tere legt zehn Koch­bü­cher ans Herz, die man beden­ken­los zu Weih­nach­ten ver­schen­ken kann. Und dann ver­rät auch noch der for­mi­da­ble Tobi Mül­ler seine „Liste der bes­ten Koch­bü­cher 2016″. Das Maga­zin (Hand­bi­blio­thek), Arthurs Toch­ter kocht (Buch­ge­schenke), Tobi Mül­ler (Bücher 2016) […]

    Like

  2. Looved reading this thank you

    Like


Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Bloggen auf WordPress.com.

%d Bloggern gefällt das: